Köln – Ein Beispiel für Gentrifizierung

Gentrifizierung ist eine Problematik, mit der sich viele Großstädte immer wieder auseinandersetzen müssen. Das Konzept dieser durchaus gewollten Politik ist denkbar einfach. Man Beobachtet die soziokulturelle Entwicklung auf ihrer kleinsten Ebene. Wo entstehen angesagte Klubs? Wohin ziehen die Künstlerateliers? Meist folgen darauf das studierende Volk und direkt hinter ihnen eine Schar an investitionswilligen Privatpersonen und Immobilienfirmen die auf den anfahrenden Zug des neuen hippen Stadtteils aufspringen wollen.

Die Städte, in diesem Fall Köln, helfen dem Investitionswillen mit angeblich strukturfördernden Maßnahmen auf die Sprünge. Straßen werden aufgebessert, Spielplätze und Kindertagesstätten werden gebaut und meist miserable Versuche, den Verkehr von den interessantesten Orten weg zu leiten, werden unternommen. Die vermietenden Parteien und ihre Investorenfreunde erhöhen die Mieten Schritt um Schritt und hoffen, dass sie so viele Mietparteien, so schnell wie möglich durch ihre Wohnungen durchlaufen lassen können. So können sie jedes mal mit neuen, sogenannten Rennovationen oder Modernisierungen auftrumpfen und die Mietpreise weiter erhöhen. In verschiedenen Kölner Stadtteilen liegen die Preise pro Quadratmeter schon weit über zehn, teilweise über zwölf Euro. Dabei geht es aber nicht, wie man vermuten könnte um die Innenstadt oder die Nähe der Uni. Sondern um die Veedel Mülheim, Kalk, Porz, Ehrenfeld und die gesamte Südstadt.

Wahlversprechungen… Wahlversprechungen überall

Und sie alle sprachen von mehr Wohnraum. Von den Erzkonservativen über die Marktliberalen, die Sozialdemokraten und die Linkspartei-Sozialisten. Alle hatten während der Stadtratswahlen in Köln, vor allem in den Stadtteilen, in denen die Situation am prekärsten ist, mit der Notwendigkeit von mehr Wohnungsbau geworben. Dabei gab es natürlich inhaltliche Differenzen. Während die links-liberalen Parteien den sozialen Wohnungsbau versprachen, sprachen CDU und FDP natürlich nur von mehr Wohnraum.

Die zu größten Teilen in städtischer Hand liegende Wohnungsbaugesellschaft GAG hatte 2012 etwas über einhundertzehn neue, soziale Wohnungen geschaffen. Obwohl die Stadt Köln jedes Jahr mit einem Bevölkerungszuwachs von bis zu einem Prozent zu rechnen hat. Bei einer Stadt Bevölkerung von knapp mehr als einer Million Menschen, ist es nicht wirklich schwierig zu errechnen, wie viele Wohnungen die Stadt jedes Jahr tatsächlich bräuchte. An dieser Tendenz hat sich in den vergangen Jahren nichts getan. Immer noch werden viel zu wenige Wohnungen gebaut. Auch Private Bauvorhaben fangen die von der Stadt hinterlassenen Lücken nicht auf. Gebäude die abgerissen werden sollen, aber bis zu dem Beginn der Bauarbeiten noch problemlos weiter benutzt werden könnten, stehen einfach leer. Institutionen, wie beispielsweise die „Die Ehrenfelder“ Genossenschaft (DE), werden für solche Untaten nicht zur Rechenschaft gezogen. Und bei den Genossen selbst herrscht nur blankes Unverständnis für die Forderung, vorhandenen Wohnraum weiter zu nutzen. Erst die Besetzung eines ihrer Objekte sorgte für einen Ruck bei der DE. Von mindestens zwei Dutzend Häusern, die der DE in der direkten Umgebung der Rochusstraße leer-, und zur freien Verfügung stehen würde, gab der Vorstand der Genossenschaft einige wenige Wohnungen frei. Der Rest der Siedlung wurde mit Gittern und Stahlplatten vor den Fenstern, und zugemauerten Türen versiegelt. Ein trauriges Bild. Der Abriss der Siedlung soll eigentlich noch Anfang dieses Jahres anfangen, aber bis zum heutigen Tag wohnen Leute im hinteren Teil der Siedlung. Ganz zu Schweigen von dem noch nicht absehbaren Beginn der (wieder Auf-) Bauarbeiten.

Die Sache mit der Mietpreisbremse

Konzepte für eine Bremsung der systematisch steigenden Mietpreise sind schon seit dem Konstituierung der neuen Bundesregierung der BRD auf dem Weg. Trotz der, für die parlamentarische Parteienpolitik üblichen Streitereien zwischen den Koalitionspartnern gibt das zumindest einen Funken Hoffnung. Den in großen, gefragten Städten wie Köln wäre eine gezielte Regulierung des Wohnungsmarktes und, viel wichtiger, der Bedarfswirtschaft sehr wichtig.

Um nachhaltig wirken zu können müsste aus dem städtischen Wohnungsbau tatsächlich eine Art Planwirtschaft werden. Den nicht nur der Bau von neuen Wohnungen muss voran getrieben werden. Mehr Menschen bedeutet auch immer, dass man sich an die Einrichtung neuer Infrastruktur machen muss. Die Straßen vieler Großstädte sind jetzt schon bis ans äußerste Belastet. Brücken sind verstopft, der öffentliche Nahverkehr an seinen ganz offensichtlichen Grenzen. Wenn dann noch ein Unfall passiert oder die Straßenbahn, sei es nur an der kleinsten Station, eine Panne hat, dann ist Feierabend mit dem Verkehr. So käme dann, zu den ohnehin schon überlasteten Straßen, auch noch eine Verminderung des aufnehmbaren Verkehrs durch das „Nadelöhr“, namentlich hier die Panne oder der Unfall. Nicht selten kann man eine halbe Stunde oder länger auf der Zu- oder Auffahrt und einer Brücke selbst stehen.

Mit einer immer mehr wachsenden Bevölkerungsanzahl muss man sich also zwangsläufig auch über ein neues Verkehrskonzept Gedanken machen. Einfach nur zu rufen, dass der Bau einer weiteren Brücke über den Rhein oder eine weitere Straßenbahn-Linie einzurichten, zu teuer seien, hilft bei diesen Problemen nicht weiter.

Da hört es aber nicht auf. Menschen haben die, zugegebenermaßen sehr unangenehme Angewohnheit, Kinder zu haben. Sprich; steigt die Einwohneranzahl, braucht die Stadt mehr Schulen.

Von Ärzten, Orten, an denen man sich mit dem täglichen Bedarf eindecken kann, Kultur, Arbeitsplätzen, Grünflächen und was Mensch in einer Stadt halt sonst noch braucht, ganz zu Schweigen.

Solche Strukturen sind für ein städtisches Miteinander notwendig. Die Regulierung der Wohnraumverhältnisse könnte dazu führen, dass bereits vorhandene Strukturen dieser Art nicht einfach aus den Händen der „ärmeren“, gerade der „ärmsten“ Bevölkerungsschicht entzogen werden können. Was wir also wirklich bräuchten ist nicht eine Bremsung der Mietpreisentwicklung in den Städten, sondern eine stabile, gewollte Stagnation die sich bewusst an der Kaufkraft der bereits vorhandenen Bevölkerung, der finanziell schwachen Bevölkerung orientiert. So würde man der sagenumwobenen Forderung, nach dem „Recht auf Stadt“ zumindest zu Teilen nachkommen.

Wohnraum ist kein Privileg – es ist ein Recht!

Wohnraum muss es für alle geben. Mit diesem Statement dürften man den gesellschaftlichen Grundkonsens erreicht haben. Einfach nur eine Wohnung zu haben ist aber keineswegs das Ende der Fahnenstange. Neben den praktischen Problemen wie etwas der Infrastruktur, gibt es sehr wohl auch menschliche Ansprüche, die man an seinen Wohnraum setzen kann. Wo gehe ich einkaufen? Wo kann ich gemeinsam mit meinen Freunden einen geselligen Abend verbringen? Ist in meinem direkten Umfeld eine Busverbindung in die Stadt? Wie lange brauche ich, wenn ich meine Einkäufe eben nicht mal schnell im Discounter um die Ecke erledigen kann? Gibt es hier einen Ort, an dem ich einfach entspannen kann?

Das es auch in den Randgebieten der deutschen Metropolen erschwinglichen Wohnraum gibt, ist kein Geheimnis. Der menschliche Aspekt ist es aber, der das Thema „Gentrifizierung“ so brisant macht. Menschen, die durch ihr Alter oder körperliche Gebrechen zu Fuß nicht mehr mobil sind, sind auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Nicht nur um ihre täglichen Bedürfnisse zu decken, sondern vor allem, um an gesellschaftlichen Events teilzunehmen. Junge Leute, die gerade ihre Unabhängigkeit vom Elternhaus errungen haben, die feiern gehen wollen ebenso. Dabei handelt es sich auf den ersten Blick natürlich wieder um ein Problem der Infrastruktur. Aber wer sucht nicht nach einer Wohnung, die an schnellen Verkehrsanbindungen liegt. Das nicht in jede Straße direkt an ein Straßenbahnnetz angebunden werden kann ist offensichtlich. Der Anspruch an diese Form der Fortbewegung hat sich mit den Jahrzehnten verändert. Sie sollen nun nicht mehr die Stadtteile separat, sondern viel mehr die ganze Stadt mit einem schnellen öpnv Verbinden. Der Anspruch der Einwohnerschaft hat sich aber mit verändert. Anstelle der Kneipe im Viertel ist halt der Klub am anderen Ende der Stadt gerade zum feiern gehen angesagt. Ab und zu geht man auch gerne mal auf ein Konzert. Theater, Kino oder Museen liegen eben auch nicht gerade vor jeder Haustüre. Allem voran sind persönliche Bedürfnisse, der Weg zur Arbeit und die Möglichkeit, mit dem engsten sozialen Umfeld in Kontakt zu bleiben, wichtige Faktoren bei der Suche einer Wohnung. Die Abwägung von Wohnungspreis zu sozialer und kultureller Teilhabe am Leben der Stadt gehören so zum Alltag der Wohnungssuche.

Warum Gentrifizierung den Städten nützt – Von Bonzenghettos und Bentley Fahrern

Größte Profiteure der Gentrifizierung sind, neben den Immobilienbesitzern, die Städte. Teure Stadtgebiete bedeuten nicht nur wohlhabendere Bewohner, sondern auch eine höhere Attraktivität für gute Geschäfte und Hightech Industrie. Mit anderen Worten: Auf den Trend folgt das Geld mit dem Geld kommen die Geschäfte, in denen man Geld ausgeben kann und die Firmen in denen man Geld verdienen kann, um es schließlich auszugeben. Komisch dabei ist, dass das Geld niemals die Trends setzt, sondern ihnen nur hinterherläuft und sie, von Hippie bis Punk alle korrumpiert…

Für die Städte sieht das dann übrigens so aus: Der Trend rückt in ein Viertel ein. Es entstehen Szenelokale und Geschäfte. Der Geldadel, der dem Trend folgt und damit durch höheren Konkurrenzdruck die Immobilien- und Mietpreise in die Höhe steigen lässt, bringt gute Bildung und bessere Geschäfte mit sich. So schlägt man viele Fliegen mit einer Klappe. Man simuliert die Aufwertung eines Stadtteils und kann sich vor der Wählerschaft als große Leistungsträger eines ganzen sozialen Umbruchs feiern lassen. Man verbessert die Kaufkraft der Stadt oder zumindest des Viertels und schafft mehr Platz für gut qualifizierte Arbeitskräfte die dann neue Firmen anlocken und das Stadtgebiet zum potentiellen Standort der nächsten Niederlassung macht. Im Fall Kölns hat die Gentrifizierung noch einen weiteren Aspekt. Die quasi städtischen Immobilien der GAG, die nach dem Ablauf verschiedener Fristen aus der sozialen Bindung fallen werden als Geldgruben genutzt. Die GAG verbuchte laut der Immobilien Zeitung 2014 einen Bilanzgewinn von über einhundert Millionen Euro. Die Gelder, die die Stadt durch die jährliche Ausschüttung der GAG erhält, gelten als „sonstige Einnahmen“ und landen im allgemeinen Topf der Stadt. Anstatt also Geld aus der Wohnungspolitik im Zweck zu binden, können so Defizite ausgeglichen werden. So zum Beispiel das der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) mit mehr als achtzig Millionen Euro Miesen. Auch wenn nicht beide Zahlen direkt auf die Kasse der Stadt Köln umgelegt werden, so kann man durchaus davon ausgehen, dass die Stadt ein gesundes Interesse daran hegt die Kosten des öffentlichen Nahverkehrs, zumindest indirekt, gedeckt zu halten.

In Wirklichkeit bedeutet diese Form der Politik aber nichts weiter, als dass man diese, grundlegenden sozialen Probleme an den Rand oder darüber hinaus weg schiebt.

Das Recht auf Stadt

Letztlich handelt es sich dabei aber um rein städtische Probleme. Was ist eigentlich mit Leuten, die abseits von großstädtischen Gebieten leben? Braucht der Mensch denn überhaupt den Zugang zu großstädtischen Kulturanlagen?

Dabei handelt es sich natürlich um ganz andere Ausgangssituationen, die so nicht ganz einfach miteinander zu vergleichen sind. Historisch waren Städte schon immer kulturelle Hochburgen im Vergleich zu ländlichen Gebieten. Das bedeutet aber nicht, dass Leute auf dem Land oder in der Stadt kein Anrecht auf Teilhabe am Leben der „Hochkultur“ haben. Und den fragenden Vergleich, dass Leute auf dem Land ja auch nicht einfach in zwanzig Minuten auf der Feiermeile sind und Leute in der Stadt deshalb auch kein Anrecht darauf haben dürfen, entspricht ungefähr der Aussage, dass in Nordkorea doch alles noch viel schlechter sei als hier und man deshalb hier ja nichts verbessern müsse. Letztlich sollte man unterscheiden zwischen exzessivem Missbrauch solcher Angebote oder sie rational anzunehmen. Das „Recht auf kulturelle Teilhabe“, was untrennbar mit dem „Recht auf Stadt“ zusammen hängt, ist letztlich eine Frage der bestehenden Lebensqualität. Und dieser Frage müssen sich auch ländliche Gebiete gleichermaßen stellen, wie Großstädte á la Köln oder Hamburg. Leute, die aus den sogenannten bildungsfernen oder finanzschwachen Schichten stammen dürfen, können nicht einfach ausgeschlossen oder ignoriert werden. Ende!

Letztlich bleibt festzuhalten: Menschen und Wohnraum sind kein Kapital und keine Ressourcen. Erst recht keine, die man einfach ausbeuten kann oder sollte. Menschen sind lebende Wesen mit Bedürfnissen. Wohnraum ist eine der, wenn nicht die Infrastruktur, die solche Bedürfnisse zu decken verpflichtet ist. Wohnraum muss unabhängig von den finanziellen und gesellschaftlichen Zuständen für jeden erschwinglich bleiben. Und solange es eine Zuwanderung auf die Städte gibt, müssen wir uns mit den dadurch verbundenen Problemen stellen. Idealer Zustand wäre natürlich, wenn Wohnraum kollektiviert würde. Hieße, das es in die Hände der Menschen gelegt würde, wie sie mit ihrer „Ressource“, ihrer „Infrastruktur“ Wohnraum umzugehen gedenken. Würde an die Stelle der Gewinngier- die Bedarfspolitik treten, gäbe es solche Probleme wie Gentrifizierung nicht.