Gegen jeden Krieg, gegen jede Autorität!

Dieser Artikel hat uns vor einiger Zeit erreicht. Wir möchten ihn auf unserem Blog veröffentlichen. Da der Text aber nicht von der Redaktion des Stadtlichen Widerstands geschrieben worden ist, können wir nicht für die Richtigkeit der in ihm getroffenen Inhalte garantieren.

Repri


 

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Gegen jeden Krieg und Militarismus, gegen jede Autorität!

Nachdem wir am 14. September 2012 in Magdeburg aufgrund des Verdachts der
Sachbeschädigung gegen die Firma ICL festgenommen worden waren, kurzzeitig in
einem anderen Verfahren unsere DNA abgeben sollten (was dann jedoch vom Gericht
zurückgewiesen wurde), vier von uns ein Einstellungsangebot erhalten hatten (was
wir natürlich abgelehnt haben), haben wir nun nach fast zwei Jahren tatsächlich
einen Termin für unsere Hauptverhandlung erhalten. Diese findet am 14. April
2015 um 10 h im Amtsgericht Oschersleben statt. Wir werden jedoch nicht zum
Prozess mobilisieren. Es gibt Besseres zu tun, als zu Gericht zu gehen. Wir
sehen dem ganzen gelassen entgegen … Über eure Unterstützung in den letzten
zwei Jahren haben wir uns sehr gefreut!

*Hallo liebe Genoss_innen, Freund_innen und Interessierte.*

Wir, das heißt sechs Beschuldigte aus unterschiedlichen Städten, werden am 14.
April diesen Jahres unseren Prozess zu einer uns vorgeworfenen
antimilitaristischen Sachbeschädigung haben.

Uns ist in unseren Gesprächen klar geworden, dass der anstehende Prozess als
solcher für uns keine besonders große Rolle spielt. Klar, wir müssen uns um
Sachen kümmern, Repressionsscheiße besprechen, Kohle ran schaffen usw. aber uns
untereinander geht es gut. Wir haben Menschen, die aufeinander achten, uns
unterstützen, wir können miteinander reden und Unterschiede aushalten.

Wir haben dem Gericht, dem Richter und Staatsanwalt herzlich wenig zu sagen, sie
sind weder für uns noch für unser Leben ein Bezugspunkt. Euch hingegen, die mit
denen wir Kämpfe und Hoffnungen teilen, wollen wir ein paar Gedanken und Ideen
mitteilen.

Ausgangspunkt der ganzen Geschichte ist das erste „War starts here“ Camp gegen
das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) 2012, in dessen zeitlichen Rahmen fünf von uns
in einer MEK-Aktion unter vorgehaltenen Waffen aus einem Auto in Magdeburg
gezogen worden sind. Diesen fünf wird die farbliche Umgestaltung eines
Ingenieurbüros vorgeworfen, welches für die Planung der Übungsstadt
„Schnöggersburg“ auf dem GÜZ zuständig ist. Dem sechsten Be­­schul­digten wird
Beihilfe zur Last gelegt, weil er der Fahrzeughalter des Autos war. Ihm wird in
einem weiteren Verfahren „eine versuchte Wehrsabotage“ vorgeworfen, in dessen
Verlauf ihm nach achteinhalb Monaten der Verweigerung im September 2014 eine DNA
Probe zwangsweise abgenommen wurde. Weitere Informationen zu den
Ermittlungskonstrukten findet ihr auf: http://dnasammelwahn.noblogs.org

Wir werden vor Gericht von unseren Gefährt_innen begleitet. Wir haben uns
entschieden auf eine größere Mobilisierung zu unserem Prozesstermin zu
verzichten. Denn es gibt so viel geeignetere Orte als Gerichtssäle auf dieser
Welt. Wir gehen davon aus, dass wir uns an diesen wiedersehen. In diesem Text
wollen wir einige Gedanken und Informationen mit euch teilen, die wir im
Zusammenhang mit unserem Prozess besonders erwähnenswert finden.

*Aufstandsbekämpfung *

Austeritätspolitik, Liberalisierung, Präkarisierung – Immer mehr Menschen in
Europa fehlt eine ausreichende Grundversorgung, insbesondere in den
überschuldeten Staaten der Eurozone. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die
betroffenen Bevölkerungen das nicht mehr lange mit machen und vom Protest zu
einer entschiedenen Gegenwehr übergehen. Der 18. März 2015 in Frankfurt am Main
gibt eine kleine Ahnung davon.

Zumindest für die herrschende Ordnung bedeutet dieses Potential eine Gefahr, die
bekämpft werden muss. In mehreren Studien politischer Think-Tanks, wird
dargestellt, dass die urbanen Auseinandersetzungen die „Zukunft der
Kriegsführung“ sind. So sieht beispielsweise das Institut für Sicherheitsstudien
der Europäischen Union (ISS) in den „Perspektiven für die Europäische
Verteidigung 2020“ die Aufgabe künftiger Militäreinsätze unter anderem im
„Schutz der Reichen dieser Welt vor den Spannungen und Problemen der Armen“.

Aufgrund dieser Einschätzung genügt es nicht mehr allein, die EU nach außen zu
schützen und die Interessen in entfernten Kriegen zu vertreten. Es muss
zusätzlich die Kontrolle im eigenen Land garantiert werden. Das heißt, hier geht
es um die klassische Aufstandsbekämpfung und um eine Aufhebung der Trennung von
polizeilichen und militärischen Aufgabenbereichen.

Zwischen 2010 und 2013 hat die Bundespolizei an 73 gemeinsamen Übungen mit
ausländischen Sicherheitskräften teilgenommen u.a. mit Gendarmerien. Der Einsatz
der Bundeswehr im Innern gegen Aufstände und soziale Unruhen ist mit den 1968
verabschiedeten Notstandsgesetzen legal. Und auch der Aufbau von Regionalen
Sicherheits- und Unterstützungskompanien (RSUKr) für den „Heimatschutz“, zur
Unterstützung für Polizei bei der Aufstandsbekämpfung zieht die oben genannte
politische Linie fort. Diese RSUKr bestehen ausschließlich aus Reservisten der
Bundeswehr und sollen seit 2013 aus 27 Kompanien mit einer „Personalstärke von
2.700 Mann“ bestehen. Ihr Einsatz im Rahmen der „Amtshilfe“ ist auch bei der
„Bekämpfung organisierter und militärischer bewaffneter Aufständischer“ oder
„widerstrebender“ Bevölkerungsteile möglich.

Im Juni 2012 probten deutsche und österreichische Polizeibeamte in Bayreuth das
Szenario „Hausbesetzung, Wohnungsdurchsuchung, Schießen, Naturkatastrophe,
Schwim­men und Retten, Begleitschutz“. Ende November 2012 wurde mit belgischen
und luxemburgischen Polizeikräften in Bad Bergzabern „Blockadebeseitigung“
geübt. Am 10. Oktober 2013 fand in Quierschied Göttelborn im Saarland die Übung
„Demonstration“ statt, an der eine Bereitschaftshundertschaft der saarländischen
Polizei, eine Hundertschaft der französischen Gendarmerie mobile und eine
Hundertschaft der Compagnies Républicaines de Sécurité teilnahmen. Als
Übungslage wurde ein Aufzug mit Zwischen- und Abschlusskundgebung in Anlehnung
an das Demonstrationsgeschehen der „Blockupy Aktionstage“ zugrunde gelegt, was
die Bundesregierung am 13. Februar 2014 eingestanden hatte.

Die europäischen Regierungen bereiten sich darauf vor, soziale Proteste und
Aufstände gemeinsam militärisch niederzuschlagen. Die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit sowie die juristischen, technischen und militärischen
Vorbereitungen dafür sind weit fortgeschritten.

So wurde 2006 die Europäische Gendamerietruppe, European Gendarmerie Force (EGF
oder Eurogendfor) mit Sitz im norditalienischen Vicenza gegründet. In der EGF
sind acht europäische Gendarmerien vertreten, die türkische hat einen
Beobachterstatus. Laut Wikipedia gehören zum Aufgabenbereich der EGF „der Schutz
von Besitztümern und Menschen sowie die Aufrechterhaltung der Ordnung im Falle
einer ‚öffentlichen Störung‘.“ Ihre ersten Einsatzgebiete waren Bosnien und
Herzegowina, Afghanistan und Haiti. Und auch wenn Deutschland nicht Mitglied in
diesem Verein ist, kann die Truppe zur Aufstandsbekämpfung auch in Deutschland
eingesetzt werden. Gegen Antiatomproteste im Wendland wurden übrigens bereits
französische Gendarmariekräfte bei Prügelüberfällen beobachtet.

Im Juni 2014 verabschiedete der Europäische Rat für Allgemeine Angelegenheiten
die Anwendungsbestimmungen für Artikel 222, der auch als „Solidaritätsklausel“
bezeichnet wird. Er legt fest, dass die Europäische Union „alle ihr zur
Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten
bereitgestellten militärischen Mittel“ mobilisiert, „wenn ein Mitgliedstaat von
einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen
verursachten Katastrophe betroffen ist“. Als „Katastrophe“ gilt dabei „jede
Situation, die schädliche Auswirkungen auf Menschen, die Umwelt oder
Vermögenswerte hat oder haben kann“, heißt es in einem begleitenden Papier. Ziel
gesamteuropäischer Polizei- und Militäreinsätze können demnach auch Streiks,
Demonstrationen und Aufstände sein, die kritische Einrichtungen der
Infrastruktur oder Banken und Konzerne gefährden.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September wurde der ATLAS-Verbund gegründet,
eine polizeiliche Spezialeinheit, die mit EU-Geldern finanziert wird. Aus einer
politischen Initiative der EU heraus entwickelt, um Terrorismus zu bekämpfen,
sollen die Einheiten aber auch gegen schwere Gewaltkriminalität vorgehen. Heute
beherbergt der Verbund 37 Eliteeinheiten von 28 EU-Ländern, darunter die
deutsche GSG 9. Das Netzwerk koordiniert gemeinsame Schulungen und Übungen, aber
vor allem wird gemeinsam geübt.

*Gefechtsübungszentrum*

In diesem Zusammenhang spielt das Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ), Europas
modernster Truppenübungsplatz eine bedeutende Rolle. Von Kämpfen in Städten bis
zum Gefecht von Panzergruppen werden hier in der Altmark, in der
Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt militärische Interventionen von Luft-
und Bodenmilitärtruppen simuliert. Seit 2012 entsteht hier zudem das größte
Übungszentrum für Aufstandsbekämpfung Europas. Ab 2017 soll „Schnöggersburg“ für
den urbanen Häuserkampf bereitstehen.

Schon jetzt werden auf dem 232 Quadratkilometer großen Truppenübungsplatz
jährlich 20.000 bis 25.000 Soldaten aller Truppengattungen inklusive der
Sondereinsatzkräfte in sechs kleineren Siedlungen im Häuserkampf trainiert, die
bisher „afghanischen und kosovarischen Bedingungen“ nachempfunden wurden.

Da die Unruhen und Aufstände nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden aber in
Ballungsgebieten beginnen, baut die Bundeswehr die Geisterstadt Schnöggersburg,
in der Spezialkommandos und Elitesoldaten für die Niederschlagung sozialer
Aufstände realitätsnah ausgebildet und trainiert werden sollen. 520 Gebäude
werden auf sechs Quadratkilometern für 100 Millionen Euro gebaut. Das
Übungsumfeld wird von Industrieanlagen, über fiktive Autobahn und sogar einen
Flugplatz mit einer 1700 Meter langen Graspiste verfügen. Nach der
Fertigstellung der 100-Mio-Euro-Geisterstadt werden hier EU- sowie
NATO-Kampfverbände gemeinsam den Krieg in der Stadt und gegen die
Stadtbevölkerung proben.

*ICL-Ingenieur und Consulting*

Das Bauplanungsbüro ICL-Ingenieur und Consulting, mit einer Niderlassung in
Sülzetal (Ungleichen 3) bei Magdeburg, die von Unbekannten rosa markiert wurde,
sowie Büros in Berlin (Michaelkirchplatz 11) und Leipzig (Diezmannstraße 5)
sicherte sich am 27.6.2012 die Bauplanung für die Aufstandsbekämpfungsstadt
Schnöggersburg mit einem Auftrags-Volumen von 4,5 Mio. Die ICL ist daher
Kooperationspartner der Bundeswehr und verdient gut und gerne an der
Vorbereitung von Krieg und Aufstandsbekämpfung.

*Rheinmetall*

Der Betreiber „Rheinmetall Dienstleistungszentrum Altmark“ vermietet das
Übungsgelände an die Bundeswehr und andere europäische Armeen, ist
Dienstleisterin der gesamten Technik und Logistik und leistet die Vorarbeit für
die militärischen Analysen. Für rund 70 Mio Euro übernahm der Konzern für
weitere 4 Jahre den Weiterbetrieb des GÜZ.

Von Anfang an verdiente Rheinmetall an der Rüstung. Bereits der erste und zweite
Weltkrieg hat das Unternehmen zu einem der größten Rüstungskonzerne weltweit
gemacht. Weder die Beschäftigung von Zwangs­arbei­ter­_innen noch die massive
Zerstörung der Produktionsstätten zum Ende des zweiten Weltkriegs konnte die
Kontinuität des Düsseldorfer Unternehmens wirksam in Frage stellen. Bis heute
läuft das Todesgeschäft des deutschen Großmeisters hervorragend – nunmehr mit
einem weltweit engmaschig verteilten Firmennetz.

In Nischni Nowgorod an der Wolga sollte Rheinmetalls größtes und weltweit
modernstes Gefechtsübungszentrum entstehen. Mit 500 Quadratkilometern und mehr
als 30.000 durchgeschleusten professionellen Mördern eine Art Maxi-Version des
GÜZ. Im Zuge der Ukraine-Krise im vergangenen Jahr wurde die Errichtung dieser
Übungsanlage in Russland und die Lieferung der dazu nötigen Anlagen zunächst
verboten. Seit März 2015 fordert der Rüstungskonzern nun 120 Mio Euro
Schadensersatz vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, um im
Interesse der Aktionäre des Unternehmens Schäden „zu vermeiden und zu
minimieren“. Dabei warten zahlreiche weitere ertragreiche Geschäfte: Rheinmetall
und EADS hatten bereits vor drei Jahren darauf gesetzt und die notwendige
Zusicherung erhalten, dass auch Deutschland eine Eigenentwicklung von Drohnen
vorantreiben wird. Am Rüstungsstandort Bremen wurde dazu 2012 das neue
Gemeinschaftsunternehmen Cassidian-Rheinmetall gegründet. Mit Verspätung kam nun
das erwartete OK der Bundesregierung für eigene Kampfdrohnen.

Über mehr als ein Jahrzehnt hinweg hat Rheinmetall Defence Electronics wichtige
Funktionäre in der griechischen Regierung sowie hohe Militärs geschmiert um
abzusichern, dass der Konzern an wichtigen Milliardendeals beteiligt wird.
Griechenland hatte mit Panzer- und U-Boot Lieferungen bis weit in die
Krisenjahre hinein – gemessen an seiner Wirtschaftsleistung – die höchsten
Rüstungsausgaben in der Europäischen Union.

Längst läuft das Geschäft auch unterhalb der Großprojekte-Ebene innerhalb der
Rüstungssparte konstant. Die gewaltsame Unterdrückung von Aufständen wie 2011 in
Bahrain geschieht mit Hilfe des von Rheinmetall Defence gelieferten Tränengases
– Der Tod bleibt ein Meister aus Deutschland.

*Gegen jeden Militarismus, gegen jeden Krieg, gegen jede Autorität!*

Schauen wir zurück auf die letzten Jahre so wird schnell deutlich, dass Krieg
kein historisches Phänomen ist, sondern traurige Aktualität besitzt. Ob
neokoloniale Interventionen oder Bürgerkriege, es scheint als sei Krieg
weiterhin ein lohnenswertes und legitimes Mittel für die Absicherung von
Herrschaft. Ob Rüstung oder Beteiligung im internationalen Militarismus, auch
die BRD ist dauerhaft aktiv an Kriegen beteiligt.

Es ist wichtig zu erkennen, dass die Kriege der Herrschaft Konflikte sind, in
denen wir uns aus revolutionärer Perspektive verweigern müssen.

Gegen jeden Krieg! Denn alles andere würde bedeuten ihre Logik der Notwendigkeit
zu rechtfertigen und dem Militarismus zu verfallen. Revolutionärer Widerstand
wird jedoch immer wieder vor genau diese Probe gestellt werden und beweisen
müssen, sich nicht vor den Karren des kleineren Übels spannen zu lassen. Wir
wollen selbstorganisierte und antiautoritäre Kämpfe für die Freiheit und werden
weiterhin jede Uniform und jeden Befehl verweigern!

Im täglichen Zwiespalt zwischen angeblichem sozialen Frieden und systematischer
Gewalt und Ausbeutung, die diese vorgetäuschte Ruhe sichern, müssen wir der
Normalität entschieden ein Ende setzen.

/Einige Betroffene & Unterstützer_innen 13. April 2015/


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